Mehr Digitalisierung wagen

Gastkommentar von Andreas Schweikert

Im Koalitionsvertrag ist die Digitalisierung wichtiger Bestandteil einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Doch um die Potenziale digitaler Technologien für den Umwelt- und Klimaschutz stärker auszuschöpfen, braucht es vor allem drei zusätzliche Maßnahmen.

Mehr Fortschritt wagen – so lautet der Titel des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung, der in dieser Woche unterzeichnet wurde. Das sozial-grün-liberale Ampelbündnis hat sich für die kommenden Jahre vieles vorgenommen – auch für den Agrarsektor. Ziel ist „eine nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaft, in der die Bäuerinnen und Bauern ökonomisch tragfähig wirtschaften können, und die Umwelt, Tieren und Klima gerecht wird“ heißt es im Regierungspapier.

Die Herausforderungen sind groß: Es geht um nicht weniger als den nachhaltigen Umbau der Land- und Ernährungswirtschaft. Gemäß der europäischen Farm-to-Fork-Strategie sollen bis 2030 50 Prozent weniger Pflanzenschutz- und 20 Prozent weniger Düngemittel eingesetzt werden. Gleichzeitig wächst der ökonomische Druck auf die Erzeugerpreise und die Einkommen von Landwirtinnen und Landwirten. Wie soll das funktionieren?

Umweltleistungen brauchen digitale Methoden

Ein wichtiger Schlüssel ist die Digitalisierung. Durch den Einsatz von Sensoren und intelligenter Software lassen sich Unkräuter von Nutzpflanzen automatisch unterscheiden und Pflanzenschutzmittel präziser ausbringen. Satellitengestützte Anbauverfahren ermöglichen es, die erforderliche Düngemenge optimal zu bestimmen und bedarfsgerecht auf dem Feld einzusetzen. Im Koalitionsvertrag wird daher der verstärkte Einsatz moderner Applikationstechniken gefordert - ein wichtiges Signal, um digitale Technologien vermehrt in die Fläche zu bringen.

Doch auch Daten werden im künftigen Landwirtschafts- und Ernährungssystem noch wichtiger. Um Klima- und Umweltleistungen stärker zu honorieren, braucht es nachvollziehbare und valide Informationen über die Erbringung bestimmter Maßnahmen sowie deren Wirkungsgrad. Beides ist ohne digitale Messungsmethoden und Dokumentation nicht vorstellbar. Umso entscheidender ist ein Datenökosystem, das den freien und vertrauensvollen Austausch von Daten ermöglicht und die Datenhoheit der Landwirtinnen und Landwirte gewährleistet.

Agrardatenraum soll weiterentwickelt werden

Der Koalitionsvertrag stellt dafür wichtige Weichen: So plant die Bundesregierung den Aufbau einer Agrardatenplattform mit zentralem Zugang zu staatlichen Daten und Diensten. Damit könnten Landwirtinnen und Landwirte künftig leichter staatliche Informationen, wie schlagspezifische Geodaten, beziehen und Melde- und Antragsformulare bequem über das eigene Farm Management System versenden.

Zudem soll der sogenannte Agrardatenraum weiterentwickelt werden, um Nutzungsrechte von Landwirtinnen und Landwirten an ihren betriebsspezifischen Daten zu stärken und digitale Systeme über standardisierte Schnittstellen miteinander kompatibel zu machen. Das ist die Grundlage dafür, dass Maschinen und digitale Systeme künftig besser miteinander kommunizieren können.

Im Koalitionsvertrag ist die Digitalisierung wichtiger Bestandteil einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Doch um die Potenziale digitaler Technologien für den Umwelt- und Klimaschutz stärker auszuschöpfen, braucht es vor allem drei zusätzliche Maßnahmen.

Erstens: Der geförderte Ausbau der digitalen Infrastruktur im ländlichen Raum muss weiter vorangetrieben werden.
Zweitens: Digitale Kompetenzen müssen stärker in der landwirtschaftlichen Aus- und Weiterbildung vermittelt werden.
Drittens: Investitionen in digitale Anwendungen und Software müssen staatlich gefördert werden.
Die Koalition will mehr „Fortschritt wagen“. Jetzt geht es an die Umsetzung, an der sich die neue Bundesregierung messen lassen muss. Für die Landwirtschaft heißt das vor allem: Mehr Digitalisierung wagen!


Der Gastkommentar von Andreas Schweikert erschien ursprünglich in der agrarzeitung. Wir danken für die Genehmigung zur Veröffentlichung!